Born in Tehran,
Grown in Italy

About The Project

  • 7. – 17.07.21 Born in Teheran, Grown in Italy – Installation von Mehrnoosh Shah-Hosseini, Iran

Born in Tehran...

In  der  Formenvielfalt  und  Farbenpracht  des  künstlerischen  Werks  der  iranischen  Designerin  Mehrnoosh Shah-Hosseini lässt sich nicht sofort ein gedankliches Leitmotiv entdecken, obzwar  die Präsenz eines solchen den Betrachter vom ersten Augenblick an in Beschlag nimmt. Da ist  etwas.  Aber  –  was  haben  bloß  diese  in  der  Selbstverständlichkeit  ihres  Kitsches  schwelgenden  Poster mit so feinen, handgemachten Schuhen zu schaffen? Und aus welcher ideellen Warte mag  man  nur  die  asketische  Strenge  dieser  Stoffbeutel  mit  dem  Lächeln  Harfe  spielender  Prinzessinnen in Einklang bringen? 

Im  Gespräch  mit  der  1973  geborenen  Teheranerin  wird  bald  klar,  dass  erinnernde  Wiedererweckung, Bewahrung und Rekontextualisierung zentrale Aspekte ihres Schaffens sind.  Da ist zum einen ein sehr persönliches, scheinbar idiosynkratisches Motiv, das Mehrnoosh immer  wieder  zu  den  Urszenen  ästhetischer  Kindheitserfahrung  zurückführt.  „Da  meine  Mutter  aus  Isfahan stammt, gehörten die Kitschfiguren und Atmosphären auf den Postern, mit denen die  Busfahrer   die   Scheiben   und   Türen   ihrer   Busse   dekorieren,   für   mich   innigst   zu   den  Verwandtenbesuchen. In vielen meiner Arbeiten versuche ich heute eigentlich nichts anderes, als  diese  Kraft  kindlicher  Imagination,  der  es  ganz  selbstverständlich  gelingt,  Heterogenes  harmonieren zu lassen, in mir wiederzubeleben.“ 

Die Technik des Kollagierens disparater Elemente ist auch ein zentrales Motiv ihres Umgangs  mit Stoffen. Als eine der Ersten hat Shah-Hosseini historische iranische Kleidungsstile neu für  die  Gegenwart  zu  interpretieren  versucht.  Sei  es,  um  nach  Cannes  reisende  Schauspielerinnen  auszustatten,  sei  es,  um  die  farbenprächtige  Unbekümmertheit  nomadischer  Trachten  in  die  Multifunktionalität moderner urbaner Kleidung zu übersetzen.  

Doch Mehrnoosh ist gewiss alles andere als eine Traditionalistin, interessiert es sie doch vor  allem,  die  in  Traditionen  schlummernden  ästhetischen  Utopien  zu  erwecken.  „Entwurf  und  Konzept  des  Projekts  »Born  in  Tehran,  Grown  in  Italy«  sind  ursprünglich  in  Teheran  entstanden“,  berichtet  die  Künstlerin.  Bald  musste  sie  aber  erkennen,  dass  sich  ihre  Vision  zauberhafter  Schuhe  handwerklich  nur  in  Italien  umsetzen  ließ.  Und  so  muten  diese  Schuh- Archetypen  mit  Namen  wie  Kahkeschan  (Kosmos)  oder  Abtan  (Wasserkörper)  nun  wie  ein  Gleichnis für aus Migrationsbewegungen resultierende Einzelschicksale an: Born in Tehran, Grown  in Italy prangt demgemäß selbstgewiss auf den Sohlen und Zertifikaten der Unikate. 

 Anders  als  ihre  zum  Kunstobjekt  gewordenen  Schuhe,  sind  die  Stoffbündel  (boghche)  von  Mehrnoosh   Shah-Hosseini   zwar   durchaus   Gebrauchsobjekte,   nichtsdestotrotz   aber   auch  Repräsentanten  von  etwas  Allgemeinerem:  „Was  mich  an  boghche  fasziniert  ist,  dass  ein  so  schlichtes  Textilkonzept  in  so  verschiedene  kulturelle  Verwendungspraktiken  einbezogen  ist.  Einerseits  hat  man  darin  seine  Reichtümer  aufbewahrt  und  etwa  für  Hochzeiten  erlesenste  Stoffqualitäten verwendet, um diese mit Goldfäden zu verzieren. Andererseits wurden boghche als  Proviantbeutel  oder  Täschchen  fürs  hamam  gebraucht.“  Praktisch  sind  diese  somit  allemal.  So  dass es nunmehr an uns ist, diese Textilien mit Sinn und Leben zu füllen, indem wir sie in neuen  Verwendungspraktiken zugleich wiederentdecken und rekontextualisieren.  

Roshanak Zangeneh

 

 

Impressionen