COURAGE
Begegnungen mit dem
weiblichen Selbstbewusstsein
MONA SIMON
2. SEP — 01. OKT 2023
Vorwort
Die Ausstellungsreihe Courage zeigt die mehrjährige intensive Auseinandersetzung der Fotokünstlerin Mona Simon mit dem Thema des weiblichen Selbstbewusstseins. In diesem Zeitraum begegnete und begleitete sie Frauen verschiedener Generationen, unterschiedlicher Herkunft, sowie diverser kultureller und religiöser Zugehörigkeit.
Simon geht der Frage nach, was es bedeutet, in Zeiten des globalen Wandels eine Frau zu sein – und alle im Lauf der Jahre porträtierten Frauen scheinen eines gemeinsam zu haben: Sie zeigen Courage auf dem Weg zu Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein. Dieser starke Begriff ist zum Titel und Leitmotiv der Ausstellung geworden.
In ihrer Arbeit erschafft Simon einen Raum der Begegnung mit anderen – und mit uns selbst. Als Betrachtende werden wir aufgefordert, uns durch die Kunst der Beobachtung unserer persönlichen, aber auch unserer kollektiven Geschichte bewusst zu werden.
Mit einem seriellen, in mehrere Etappen gegliederten Ausstellungsformat laden wir ein, an den vielfältigen Begegnungen – zwischen Rückblick und Gegenwart, zwischen Fremdem und Eigenem – teilzuhaben. Wir möchten damit zum Austausch über Selbstbestimmung und Identität anregen. Und wir wollen den Zusammenhang zwischen Transkulturalität und traditionellen Geschlechterrollen im Zeitalter der Vielfalt aufzeigen, sowie einen Dialog zur gegenseitigen, gender- und kulturübergreifenden Wertschätzung eröffnen.
Leila Cheraghi und Team
courage
Eine Einführung von Leonie Pfennig
Was bin ich wert, und wer außer mir selbst darf darüber bestimmen? Diese Frage begleitet die Fotografin Mona Simon schon seit ihrer Kindheit, mal mehr, mal weniger bewusst, und wie ein lose gesponnener Faden verknüpft sie die einzelnen Werke in der Ausstellung „Courage“, die über einen Zeitraum von 15 Jahren entstanden sind. „Mit der Fotografie habe ich mir ein Medium gesucht, das Begegnungen erlaubt“, sagt Mona Simon über ihre Arbeit, und so ist sie auf ihren Reisen und Auslandsaufenthalten Frauen unterschiedlichster Kulturen, Religionen, sozialer und politischer Herkunft begegnet. Inspiriert von der Frage, was es heißt, Frau zu sein, und zu lernen, was Selbstbewusstsein ist, hat sie den Frauen mit der Kamera zugehört, stets darauf bedacht, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.
Was heißt es, Mutter, Frau, Tochter, Ehefrau zu sein? Wer bin ich? Und was bin ich wert? Die Frage nach der eigenen Identität ist aufgrund ihrer persönlichen Migrationserfahrung auch zentral in Mona Simons Leben. Mit zehn Jahren kam sie nach Deutschland, die Familie gehört der Minderheit der Siebenbürger Sachsen in Rumänien an. In der patriarchal geprägten Gesellschaft beobachtete sie eine geringere Wertschätzung von Frauen, ungleiche Behandlung von Mädchen gegenüber Jungen, aber auch die Kraft und Stärke, die sich aus dieser ungleichen Situation heraus entwickeln kann. Geprägt durch diese Beobachtung, die sie besonders auch bei ihrer eigenen Mutter bewunderte, begab Mona Simon sich selbst auf die Suche nach dem Bild weiblicher Selbstermächtigung und seinen vielen Facetten auf der Welt.
Die Ausstellung ist als vierteiliger Zyklus aus fotografischen Begegnungen angelegt: Jede Woche mit ihren vier Öffnungstagen steht unter einem Begriff, der die jeweilige Begegnung beschreibt. Frauen aus den unterschiedlichen geografischen und gesellschaftlichen Kontexten treffen in den Ausstellungsepisoden aufeinander, doch allen ist ein Ausdruck von Stärke, eine besondere Präsenz und ein Bewusstsein für das Selbst gemein.
#1 VERBUNDENHEIT
2. Sep bis 6. Sep 2023
die Bestimmung der Mosuo-Frauen, tibet
der Stolz der Căldărari-Frauen, rumänien
In der ersten Begegnung stellt Mona Simon unter dem Thema “Verbundenheit” Porträts von Frauen der rumänischen Minderheit der Căldărari denen von chinesischen Mosuo-Frauen gegenüber. Die Căldărari (deutsch: Kalderasch) sind Angehörige einer ursprünglich in Südosteuropa beheimateten Teilminderheit der Roma, von denen viele ursprünglich als Schmiede oder Kesselmacher arbeiteten. Wie viele Roma und Sinti werden sie in Rumänien argwöhnisch betrachtet und diffamiert, und wie in vielen Roma-Communities sind die Gesellschaften der Căldărari stark patriarchal geprägt. Junge Mädchen werden von den Eltern verheiratet, nur männliche Familienangehörige dürfen erben, Schulbildung hat für Mädchen keinen großen Stellenwert. Innerhalb dieser ungleichen Gesellschaft ist Mona Simon Frauen begegnet, die trotz der Unterdrückung, unter der sie leben, stolz sind und diesen Stolz nach außen tragen, die sich ihrer Kultur und ihrer Tradition verbunden fühlen, und ein Selbstbewusstsein ausstrahlen, das ihnen niemand nehmen kann. Verbundenheit zeigt sich auch durch Muster und Stoffe ihrer Kleidung, die wie die Muster für ihre vorgezeichneten Lebenswege von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Dem gegenüber stehen Fotografien von Frauen der Mosuo aus der Provinz Yunnan in China – einer matriarchalen Gesellschaft, in der Frauen das Sagen haben, aber auch die meiste Verantwortung tragen. Frauen und Männer leben hier getrennt voneinander, Ehen existieren erst seit der Kulturellen Revolution in den 1960er Jahren. Auch diesen Frauen steht ein Selbstbewusstsein ins Gesicht geschrieben, das nicht infrage gestellt wird. Der Text von Fiona MacGregor auf der diese Ausstellung begleitenden Webseite gibt hierzu einen tieferen Einblick.
DER STOLZ DER CĂLDĂRARI-FRAUEN
DIE BESTIMMUG DER MOSUO-FRAUEN
Wir brauchen wirklich keine Ehemänner
Fiona MacGregor
Aus dem Englischen übersetzt und gekürzt von Willi Reinecke
Beim Volk der Mosuo in der chinesischen Provinz Yunnan haben traditionell die Frauen das Sagen. Es gibt keine Ehen und die Sexualpartner führen getrennte Leben, auch wenn sie gemeinsame Kinder haben.
„Es ist besser für Männer und Frauen, getrennt zu leben, weil es dann weniger Konflikte gibt. Wenn du und dein Liebhaber zusammenleben, wird es zu Streitigkeiten kommen.“
Es ist 20 Uhr, und der Vollmond steht hinter den zerklüfteten Gipfeln, die den Lugu-See wie Drachenzähne umschließen. Das weiße Auge eines Motorradscheinwerfers nähert sich und verschwindet dann in der Schwärze.
Auf dem Rückweg vom Markt geht Gongts Dash Duma, oder Qi Du, wie sie genannt wird, neben mir her und schaut den Weg zurück, den der Motorradfahrer genommen hat. „Didi – mein kleiner Bruder“, sagt sie und grinst. „Er ist auf dem Weg zu seinem Aipengyou“.
Es ist ein langsamer, aber stetiger Strom von Fahrern, und die meisten sind auf dem Weg zu ihren Aipengyous – Sexualpartnern, mit denen sie sich normalerweise nur nachts treffen.
Frühere Besucher dieser Bergregion im Südwesten Chinas nannten solche Beziehungen „Wanderehen“. Heute wählen die Männer der Mosuo-Minderheit in der Provinz Yunnan schnellere Methoden, um zu ihrer Geliebten zu gelangen. Aber das Prinzip bleibt dasselbe: Wenn ein Mann und eine Frau eine körperliche Beziehung eingehen, erwartet keiner von ihnen, dass sie ihren Alltag teilen.
Hier, in einem der letzten verbliebenen Matriarchate der Welt, leben Mosuo-Männer und -Frauen normalerweise ihr Leben lang im Haus ihrer Mütter, weil sie glauben, dass ihre leibliche Familie weitaus zuverlässiger ist als Familien, die durch Heirat entstanden sind.
„Wir haben ein Sprichwort, das es erklärt“, sagt Qi Du in dem hölzernen Bauernhaus, in dem sie mit ihrer Großfamilie lebt. Sie rührt gerade ein starkes Gebräu aus fermentiertem Reis und Spiegelei in einem Wok, um die bittere Spätherbstkälte abzuwehren. „Ein Mann und eine Frau sind wie zwei Bäume, die nebeneinander wachsen: Ihre Wurzeln sind getrennt, aber ihre Äste überlappen sich.“
Ein anderes Mosuo-Sprichwort lautet in etwa so: „Wenn du [eine Frau] tot am Straßenrand liegst und dein Geliebter kommt vorbei, wird er weitergehen. Wenn dein kleiner Bruder dich dort sieht, wird er stehen bleiben und weinen.“
Qi Du ist eine gesprächige, lächelnde Frau Anfang 40 mit einer Leidenschaft für Kartenspiele. Sie sieht keinen Grund, mit einem Langzeitpartner zusammenzuleben, um in Liebe, Sex und Kindererziehung glücklich zu werden.
„Wir brauchen wirklich keinen Ehemann, denn in jedem Haushalt gibt es einen Bruder und einen Lama [ein männliches Familienmitglied, das im örtlichen Tempel ausgebildet wurde und als Mönch lebt]“, sagt sie.
Eine Ehe im herkömmlichen westlichen Sinne gab es bei den Mosuo nicht, bis Mitte der 1960er Jahre während Mao Zedongs Kulturrevolution neue Regeln eingeführt wurden, die Paare dazu zwangen, offizielle Ehen zu schließen, genau wie die Han-Mehrheit des Landes.
Heute verändert sich das Leben rund um den See aufgrund des zunehmenden Kontakts mit anderen Kulturen rasch. Setzt jedoch die Regierung ihre Regeln weniger rigoros durch, folgen viele der 50.000 Mosuo den Traditionen ihrer Kultur. „Die Menschen [Liebende] werden nicht wütend aufeinander, weil wir uns nicht scheiden lassen müssen“, erklärt Qi Du. „Die Männer sagen den Frauen nicht, was sie tun sollen, die Frauen tun es einfach“. Wenn die Frauen etwas nicht tun wollen, tun sie es nicht.
Qi Du’s Großmutter, Gonts Bima, ist wie andere Mosuo-Großmütter auch, als Matriarchin des Hauses verantwortlich für alle wichtigen Entscheidungen der Familie. Gonts Bima, deren Gesicht so faltig ist wie die prallen braunen Walnüsse, die um den See herum geerntet werden, sitzt am Feuer und lacht sich über ihre eigenen Witze kaputt. Ihr Sohn ist ein ruhiger Mann Anfang 40 mit einem toleranten Lächeln. Sie deutet an, dass er nicht genug Geld für die Großfamilie nach Hause bringt. Das Land und die Besitztümer gehören alle ihr. „Wenn wir Geld für etwas brauchen oder etwas Wichtiges kaufen wollen, müssen wir Ama fragen“, sagt Qi Du.
Kuma, eine umtriebige Großmutter Anfang 60, lacht nur, wenn sie gefragt wird, ob die Männer wissen, dass die Frauen das Sagen haben. „Sie wissen, dass wir wichtig sind“, sagt sie. „Unsere Kultur ist eine gute Kultur, weil die Frauen in der Liebe freie Entscheidungen treffen. Die Frauen haben einen hohen Status.“
Aber Macht bringt Verantwortung mit sich, und Kuma glaubt, dass das Leben einer Frau viel härter ist als das eines Mannes. „Die Frauen machen alles, es kann sehr schwer sein“, sagt sie mit einem Seufzer.
Die Männer sagen, dass sie nach dem Essen satt sind und nichts mehr tun wollen.
Das moderne Leben bringt auch Veränderungen darin, wie Mosuo-Frauen ihre Macht empfinden. Traditionell haben Männer wenig Verantwortung für die Erziehung ihrer eigenen Kinder. Im Allgemeinen wurde dies nicht als negativ gesehen. „Mosuo-Männer sind viel weniger egoistisch als Han-Männer, weil Han-Männer sich nur um sich selbst kümmern, Mosuo-Männer jedoch um alle“, sagt Kuma.
Männliche Vorbilder sind traditionell die Onkel mütterlicherseits, die im Haus der Familie leben. Die Mutter ist für die meisten körperlichen und materiellen Bedürfnisse des Kindes verantwortlich, und diese Kosten sind die häufigste Klage von Mosuo-Frauen. „Die Männer haben Arbeit, aber oft geben sie sie kein Geld für die Kinder“, erklärt Qi Du.
Jetzt, wo sie der Außenwelt durch Tourismus, Fernsehen, Handel und Schulen geprägt ist, sagen die Frauen hier, dass sie Druck verspüren, Dinge für ihre Kinder zu kaufen. Dies ist einer der Hauptgründe, warum viele Frauen lieber eine längerfristige Beziehung mit dem Vater ihrer Kinder eingehen und ihn ermutigen, sich mehr in die Kindererziehung einzubringen. Ältere Mosuo-Frauen verstehen, warum sich dieser Wandel vollzieht.
Ja Shima, eine bemerkenswert rüstige 86-jährige Frau mit einer ausgeprägten Vorliebe für Baiju (den lokalen Reisschnaps), hatte sechs Ehemänner und sechs Kinder von verschiedenen Vätern. „Drei von ihnen verließen mich, und ich verließ die anderen Drei“, sagt sie über ihre früheren Ehemänner. „Es war ein hartes Leben, weil wir damals nie genug zu essen hatten. Aber wenn ein Mann nicht gut war, habe ich mir einfach einen anderen gesucht.“ Sie glaubt jedoch, dass es heute besser ist für Frauen, bei einem Mann zu bleiben, zumindest solange die Kinder heranwachsen.
Ihre Nachbarin, Li Hua, eine tüchtige, gutaussehende Frau Anfang 30, stimmt ihr zu. Sie ist die einzige Frau im Dorf, die ganztags mit ihrem Mann zusammenlebt. Zusammen mit ihrem Ehemann betreibt sie ein kleines Gästehaus für wenige chinesischen Touristen. „Die Leute
halten mich für seltsam“, sagt sie seufzend. „Aber es ist viel besser, wenn man mit seinem Partner zusammenlebt. Viele der Frauen mit Liebespartnern bekommen kaum Unterstützung für die Kinder.“
Wie aufs Stichwort kommt ihr Mann vom Markt nach Hause und trägt mehrere winzige Paar Socken und andere Kleidung für ihr zehn Monate altes Baby, das auf dem Boden sitzt und mit Stöcken aus dem Feuer spielt.
Die Ein-Kind-Politik der chinesischen Regierung gilt nicht für viele Minderheiten des Landes, die im Allgemeinen in weniger bevölkerten ländlichen Gebieten leben. Mosuo-Frauen dürfen zwei oder drei Kinder bekommen, je nachdem, in welcher Provinz sie leben. Im Gegensatz zu den Han, die im Allgemeinen Jungen mehr schätzen als Mädchen, haben die Mosuo gerne Töchter.
Die meisten Mosuo-Frauen ziehen es immer noch vor, von ihren Liebhabern getrennt zu leben. Eines Morgens, als Qi Du das Frühstück mit Blutwurst und gebratenem Fladenbrot zubereitet, sitzt ein alter Mann neben Gonts Bima am Feuer. Ich frage, wer er ist, und sie kichert wie ein Schulmädchen, macht schnell mit ihren Fingern ein Kreuzzeichen, um zu zeigen, dass er ihr Freund ist.
Die beiden sind schon seit Jahrzehnten zusammen, aber es gilt nicht als höflich, vor Männern über persönliche Beziehungen zu sprechen. Auch jüngere Mosuo-Frauen können sich nur schwer daran gewöhnen, ihr Haus mit einem Ehemann zu teilen. Kuma erzählt mir, dass Mosuo-Frauen, die zur Arbeit in die nächstgelegene Stadt reisen, oft einen Mann von dort heiraten, aber solche Beziehungen enden oft mit einer Scheidung. „Ich war nicht glücklich mit ihm zu leben, wir kamen nicht miteinander aus“, sagt die 19-jährige Xiao-Juan, die einen tibetischen Mann geheiratet und ein Kind bekommen hat.
Ihr Baby verbringt noch immer Zeit mit seinem Vater, aber Xiao-Juan ist in ihr Dorf zurückgekehrt und hat bereits einen neuen Freund. „Ich bin jetzt glücklicher“, sagt sie. Es gibt immer noch ein paar Mosuo-Dörfer ohne Strom, aber in den meisten hat das Fernsehen die lokalen Tänze als Abendunterhaltung abgelöst. Mit ihm kamen auch die allgegenwärtigen Han-chinesischen Seifenopern – unglaubwürdige Dramen, in denen unterwürfige Frauenfiguren das lebenslange Glück mit dem Helden ihrer Wahl suchen. Viele Mosuo-Frauen, die so lange selbstständig waren, sprechen jetzt auch davon, wie schön es wäre, einen Mann zu haben, der sich in schwierigen Zeiten um sie kümmert.
Eines Abends will Qi Du’s Bruder mit der Fernbedienung den Kanal wechseln, aber die Frauen sagen ihm sogleich, er solle sie weglegen, was er resigniert, aber ohne sich zu beschweren, tut. Ich lache und bemerke, dass überall auf der Welt Männer dafür bekannt sind, die Kontrolle über den Fernseher zu übernehmen. Aber in diesem Fall haben die Frauen eindeutig die Oberhand.
„Was für Sendungen siehst du denn gerne?“, frage ich ihn.
„Kung Fu.“
„Und die Frauen?“
„Han-Drama.“
„Und was seht ihr euch normalerweise an?“
„Han-Drama“, sagt er reumütig, bevor er wieder aufhellt. „Aber nach dem Han-Drama schaue ich Kung Fu.“
Vielleicht haben die Mosuo recht, und Geschwister leben harmonischer als Liebende. Von Frauen geführte Gesellschaften sind vom Wunsch nach Kompromissen geprägt, und wenn das Leben der Mosuo auf die Moderne trifft, wird der Kompromiss zwischen dem alten Lebensstil der „Wanderehe“ und der zunehmenden Einbindung der Väter den Familien zugutekommen.
#1 VERBUNDENHEIT
EXHIBITION GALLERY
#2 KRAFT
9. Sep bis 13. Sep 2023
in ihren händen, Kambodscha
Frauen sind Gold, Kambodscha
In der zweiten Begegnung, unter dem Titel “Kraft”, stehen Frauen aus Kambodscha im Fokus, wo Mona Simon mehrere Jahre lebte. Hier bringt sie Geschäftsfrauen, die auf den Straßen der Hauptstadt Phnom Penh als Händlerinnen oder Köchinnen arbeiten und selbstständig für sich und ihre Familien sorgen, mit Frauen in Begegnung, die die Gewalt des Patriarchats am eigenen Leib erfahren haben und ihre Geschichten körperlichen und psychischen Missbrauchs erzählen. In Zusammenarbeit mit der NGO CEDAW hat Mona Simon das „Dignity Project“ initiiert, das Opfern häuslicher Gewalt in Kambodscha eine Stimme und ein würdevolles Gesicht gibt. Dafür hat sie Betroffene in Fotostudios in Phnom Penh getroffen, in denen normalerweise opulente inszenierte Hochzeitsfotos gemacht werden. Die Frauen wurden aufwändig geschminkt und frisiert und präsentieren sich in kostbaren goldenen Kleidern: Allein, ohne ihren Mann, selbstermächtigt. „Das Mädchen ist ein weißes Tuch, der Junge ist Gold“ heißt ein bekanntes kambodschanisches Sprichwort, das Mona Simon hier zugrunde legt und umdreht. Im Rahmen des „Dignity Projects“ dürfen die Frauen leuchten, ihre Geschichten öffentlich machen und Respekt und Wertschätzung erfahren statt Spott und Verurteilung, die ihnen in ihren Familien und der Gesellschaft so oft entgegengebracht werden. Die Spuren und Narben ihrer Gewalterfahrungen sind sichtbar, auch wenn sie von goldenen Bordüren überdeckt werden, doch die Selbstermächtigung, die sie sich durch das Teilen ihrer Geschichten zurückgeholt haben, spricht aus ihren Gesichtern.
FRAUEN SIND GOLD
IN IHREN HÄNDEN
#2 KRAFT
EXHIBITION GALLERY
#3 BEWUSSTSEIN
16. Sep bis 20. Sep 2023
der nonnenpfad, Kambodscha
Begegnungen, international
Die Begegnungen der dritten Episode stehen unter dem Titel “Bewusstsein”. Die Bilder der jungen buddhistischen Nonne Kosorl, die Mona Simon 2012 in Kambodscha getroffen hat, sind Ausdruck eines Bewusstseins für die eigene Kraft und das Hinterfragen gängiger Konventionen. Weibliche Nonnen haben im Theravada Buddhismus die Funktion, den männlichen Mönchen ihr spirituelles Leben zu ermöglichen – sie sind Dienerinnen, Arbeiterinnen oder Pflegekräfte. Die junge Frau, durch die Mona Simon Einblick in das Leben einer buddhistischen Nonne bekam, stellt dieses System infrage und sucht nach einer Alternative, um in ihrem spirituellen Leben eine selbstbewusste Rolle spielen zu können. Selbstverständlich nimmt sie sich das Recht, ihren Weg als den Richtigen zu betrachten. Inzwischen gibt es in Kambodscha ein reines Nonnenkloster, auch wenn die Anerkennung der Nonnen in der spirituellen Ordnung noch lange nicht denen der Mönche entspricht.
Die Suche nach dem eigenen, richtigen Weg steht auch in den Porträts der Frauen im Vordergrund, die in der Ausstellung in Beziehung zu denen der Nonnen stehen – Frauen, denen Mona Simon auf ihren Reisen um die Welt begegnet ist. Darunter ist Blaise, eine junge Australierin, die ihr Leben lang wegen ihres mehrgewichtigen Körpers kritisiert und ausgegrenzt wurde und sich ungeachtet davon auf Weltreise begeben hat. In einem Gedicht, das ebenfalls in der Ausstellung präsentiert wird, und in den selbstbewussten Fotos, die Mona Simon von ihr gemacht hat, setzt sie sich über diese Diskriminierung hinweg.
BEGEGNUNGEN
DER NONNENPFAD
I am trying to love myself in a world where I am not enough
But in the next breath I am told I’m actually just too much
A world where it seems insincere when I’m positive and sunny
A world where if I’m being quiet, I’m asked why aren’t you being funny
A world where I had my first kiss at 12 which I stopped when he touched my boob
A world where 12-year-old me apologised to him for ruining the mood
A world where I’m called a bitch when I’m humorous and witty
A world where I am often told if I lost some weight, I’d actually be quite pretty
A world where it seems a safe space is impossible to find
A world where you can trust no one, not even your own mind
A world where self-worth and confidence seem like something to fear
A world where I make resolutions and break them at the start of the new year
A world where I feel exhausted and run down and always on the go
A world where I constantly say sorry and feel bad for saying no
So I have decided to just be who I am, exist and try my best
And give my weary mind, body and my bruised heart some very much needed rest.
Dounji Muon,
geb 1938
Kambodscha, 2014
Es ist noch dunkel, als Dounji Muon aufwacht. Wie die anderen Nonnen beginnt sie ihren Tag um 4 Uhr morgens mit Meditation und Gebeten, dann hilft sie beim Putzen und Zubereiten der Mahlzeiten. Dounji Muon verbringt jedoch den größten Teil ihres Tages damit, sich um den Garten zu kümmern. Hier habe sie Ruhe und Frieden gefunden, auch indem sie den Mönchen ihr Gemüse und Obst schenke, sagt sie.
Nachdem ihr Mann getötet und ihre 1000 Orangenbäume zerstört worden waren, wurde Srey Moan zusammen mit ihrer damals kleinen Tochter und ihrer Mutter von den Kmehr Rouge gefangen genommen und als Arbeiterinnen mehrere Jahre lang im Dschungel festgehalten. 1982, nach dem Tod ihrer Mutter, kamen sie und ihre Tochter, damals Anfang 20, nach Battambang und fanden in diesem Kloster ein friedliches Leben, wo sie die Qualen hinter sich ließen, die sie in ihrem turbulenten Leben ertragen mussten. Mutter und Tochter teilen sich seither eine kleine Hütte, und verbringen ihr Leben gemeinsam mit den anderen Nonnen im täglichen Rhythmus der Pagoda.
Ich verstehe, dass die Mönche an die Größe Buddhas erinnern. Ihnen zu dienen, ist in gewisser Weise wie Buddha zu dienen, sagt Dounji Muon.
Dharma
Kosorl, geb 1996
Kambodscha, 2014
Kosorl deren Name in Pali „Tugend“ bedeutet, wusste schon als Kind, dass sie Nonne werden wollte. Nach der Trennung der Eltern entscheidet sich die Mutter für das Leben in der Pagode, den kleinen Sohn nimmt sie mit, die Tochter aber bleibt bei der Großmutter und darf erst mit 13 ihrer Familie ins Kloster folgen. Kosorl erinnert sich noch gut an die erste Begegnung mit kleinen Mönchen, die den Wunsch in ihr erwecken, ebenfalls ein Kind-Mönch zu sein. Dieser Wunsch wird ihr jedoch versagt, weil sie ein Mädchen ist. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Erfahrung hielt sie an ihrem Wunsch, selbst Nonne zu werden, fest, jedoch nicht wie die Mutter, die nach der Trennung vom Vater entschied, ihr Leben dem Klosterleben und den Mönchen zu widmen.
Eine Nonne in Kambodscha zu sein, ist nicht einfach”, sagt Kosorl. Im Gegensatz zu den Mönchen werden die Nonnen hier gesellschaftlich kaum geschätzt, obwohl sie ihnen ihre Zeit und Hingabe widmen. Kosorl will, wie auch die Mönche, ihren eigenen Weg der Erkenntnis gehen, nicht den Weg der Dienerin.
Als erste kambodschanische Nonne geht sie nach Sri Lanka und studiert Pali und Buddhismus an der Universität in Colombo. Sie beschliesst auch die Farbe ihres Gewandes zu ändern, vom kambodschanischen Weiß zum
sri-lankischen Saphir-rot. Hier erlebt sie eine neue Form von Gleichheit. Inzwischen ist sie zurück in Kambodscha, wo sie unterrichtet und das Leben der Kambodschanischen Nonnen auch durch ihrer Masterarbeit betrachtet.
Mae,
Nat Nari, geb. 1953
Kambodscha, 2014
Nonnen Oberin Nat Nari, die Mae genannt wird (in Khmer Mutter), ist die Leiterin der Nonnen in der Andeuk-Pagode in Battambang, Kambodscha.
Nachdem ihre Familie im Krieg gestorben war, fand sie hier als Nonne Zuflucht. Dies war eine Entscheidung für den Rest ihres Lebens, die die damals 27-Jährige traf, obwohl die Mönche, denen sie diente, nicht sehr glücklich darüber waren, eine junge Frau in der Pagode zu haben, weil sie befürchteten, ihr könnte dabei Schaden zugefügt werden vor allem durch die vietnamesischen Soldaten, die das Gebiet zu dieser Zeit besetzt hielten. Die Mönche stimmten schließlich zu, das wenige Essen und ihre Unterkunft zu teilen, während Nat Nari für sie sorgen würde, zusammen mit fünf älteren Frauen, die zu dieser Zeit in der Pagode lebten.
Inzwischen beherbergt die Schildkröten-Pagoda neben den 50 Mönchen auch 40 Nonnen, die neben ihren täglichen Aufgaben auch ihrer spirituellen Entwicklung Zeit widmen dürfen. Das haben sie Mae zu verdanken, die diese Pagode dahingeführt hat, als eine von sehr wenigen in Kambodscha, den Nonnen Raum für Meditation und Dharma Unterricht zu bieten.
Mae, die nie Ehefrau und Mutter sein wollte, stellt sich solch ein Leben viel zu erschöpfend vor, weil es ausschliesslich dem Wohl der Familie gewidmet sei und keinen Raum für Selbstentfaltung bietet. Kein “Wunder, dass Frauen nie Buddhas geworden sind, sagt sie, Frauen haben einfach viel zu viel zu tun und keine Zeit für sich selbst”.
#3 BEWUSSTSEIN
EXHIBITION GALLERY
#4 WEISHEIT
23. Sep bis 1. Okt 2023
erfahrungsreich, deutschland
the Skin Code, international
Der Ausstellungszyklus schließt mit dem Thema “Weisheit” und einer Serie, die Mona Simon in Köln erstellt hat. Hier begegnete sie alten Frauen in deren Zuhause, um von ihren Erfahrungen zu lernen. Sie erzählten von ihrem Leben, von Entscheidungen und Erfahrungen, von Momenten, die Mut erfordert und ihnen Unabhängigkeit verliehen haben. Dabei wurden sie von Mona Simon porträtiert. Dem gegenüber stehen Fotografien aus der Serie „The Skin Code“ von 2013/2014, in der Mona Simon Frauen ihrer eigenen Generation begegnet ist. Die Fragen nach dem Weg, den eine Frau einschlägt, nach dem Bild, das sie von sich kreiert, unterhalb der Codes, die wir alle als Norm internalisiert haben, bildeten den Ausgangspunkt ihrer Porträts. Und auch wenn sie Generationen und Weltkriegserfahrungen trennen, lassen sich Parallelen zwischen den Frauen aus beiden fotografischen Projekten sehen: Mut und Unabhängigkeit und der Umgang mit Erfahrungen, den jede einzelne gefunden hat.
Mona Simons multimediale Ausstellung ist das Ergebnis einer Suche nach dem weiblichen Selbstbewusstsein, dem eigenen mit all seinen Zweifeln, und dem gemeinschaftlichen, das immer stärker wird, wenn wir uns gegenseitig wertschätzen und zuhören.
ERFAHRUNGSREICH
Die Etappe Weisheit beinhaltet auch die Geschichte der Frauen. Hören Sie zu und lassen sich inspirieren.
THE SKINCODE
Über Stärke und Einsamkeit
Angelina Jolie: Die einsamste Frau Hollywoods. So oder so ähnlich titelte kürzlich das OK! Magazin. Die müssen es wissen, schließlich arbeitet man dort journalistisch streng nach der Keine-Quellen-Regel. Trotzdem berührt mich die Schlagzeile. Kann es sein, dass diese wunderschöne starke Frau einsam ist? Ich vermute schon.
Lassen Sie uns kurz rekapitulieren, was die Yellow Press in den letzten Jahren über Jolie’s Leben berichtet hat – vielleicht ist es tatsächlich passiert. Nach einer wilden Jugend und zwei Ehen zwischen Alkohol- und Drogenexzessen, spannt Jolie einer anderen Frau den Ehemann aus. Bei diesem Mann handelt es sich um einen der beliebtesten Schauspieler Hollywoods: Brad Pitt. Es folgen Jahre der Läuterung. Die beiden spenden viel Geld für Unterprivilegierte, adoptieren Kinder aus aller Welt. Jolie arbeitet sehr engagiert als UN-Sonderbotschafterin. Dann trifft sie zwei schwierige Entscheidungen. Zunächst lässt sie sich ihre Brüste, ihre Eierstöcke und Eileiter entfernen, um ihr Krebsrisiko zu minimieren. Über diese Entscheidung spricht sie öffentlich. Was ist dieser Prototyp an weiblicher Sexyness nun für eine Frau? Wie nimmt man sie wahr?
Ein paar Jahre später trennt sie sich von ihrem Ehemann, weil dieser mindestens Alkoholprobleme hatte. Sie beschädigt das Bild der perfekten Familie. Brad Pitt bleibt der beliebte Star, endlich ist der Mann wieder zu haben. Jolie ist einfach zu viel mit ihrem Perfektionismus, wer kann das schon aushalten? Natürlich ist Angelina Jolie die einsamste Frau Hollywoods – und zu dünn.
Diese Geschichte ist beispielhaft dafür, dass es einen Zusammenhang zwischen Stärke und Einsamkeit gibt. Zumindest bei uns Frauen. Starke Männer sind anziehend und umworben. Frauen sind beliebter, wenn sie ihre Schwächen zeigen, wenn wir Frauen
uns mit ihnen identifizieren können in ihrer Unperfektheit. Jolie hat einige starke Entscheidungen getroffen. Hätte sie sich nicht einfach mit ihrem Leben zufriedengeben können? Sie hatte doch alles, was Frau sich nur wünschen könnte.
Eine starke Frau ist für mich eine, die für sich etwas entscheidet und danach handelt, weil ihr moralischer Kompass es nicht anders zulässt. Eine Frau, die darum kämpft ihr Rückgrat zu behalten, selbst wenn es andere, leichtere Wege gäbe. Eine starke Frau ist eine sich emanzipierende Frau. Emanzipation ist kein Zustand, es ist ein lebenslanger Prozess, der immer wieder neu entschieden werden muss. Das lateinische Wort emancipatio bedeutet: die Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt oder Freilassung eines Sklaven. Das sind für den Betroffenen passive Akte, ihnen wird Freiheit geschenkt. Die weibliche Emanzipation besteht aus aktiven Entscheidungen, die wir treffen und mit deren Folgen wir leben müssen. Ich schreibe das in großer Demut vor all den Frauen, die gerade an riskanteren Orten der Welt für ihre Rechte kämpfen und dabei ihr Leben und das ihrer Liebsten gefährden.
Und dennoch. Manchmal sind auch kleine Entscheidungen schwierig, die nötig sind, damit wir uns weiterhin aufrecht im Spiegel anschauen können. Trennungen von Menschen, die uns nicht gut tun – auch wenn eine klassische Familie problemloser für die Kinder wäre. Für Schwächere einzustehen – auch wenn es beruflich negative Folgen für uns selbst hat. Tagtäglich unser Rückgrat zu behalten, uns nicht von Schlechtem korrumpieren zu lassen. Emanzipation bedeutet eigenständig zu werden. Heißt das nicht auch, allein stehen zu können?
Allein zu stehen, heißt aber nicht unbedingt einsam zu stehen. Warum fühlt es sich trotzdem so an? Eine für mich befriedigende Antwort darauf liefert die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich in ihrem Buch „Die Radikalität des Alters“. Sie findet es verständlich, dass viele Frauen Angst davor haben, sich zu emanzipieren. Die Frauen würden sich von familiär und gesellschaftlich geforderten Verhaltensweisen lösen, die von vielen nach wie vor als weiblich gesehen werden. „Männliche (und weibliche) Erwartungen dieser Art zu enttäuschen geht mit Sympathie- und Liebesverlust einher und kann Frauen zu Außenseitern der sie jeweils umgebenden Gesellschaft machen.“ Es geht also nicht um die konkrete Entscheidung selbst, sondern immer auch um unser unmittelbares Umfeld. Jeder hat sein Eigeninteresse an den Entscheidungen anderer: Eltern, PartnerInnen, Freunde. So kann eine Mutter, die in ihrer Jugend selbst für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekämpft hat, heute mit ihrer Tochter in Konflikt geraten, weil sie die selbstgewählte Kinderlosigkeit der Tochter nicht akzeptieren möchte und sich Enkelkinder wünscht. Die Tochter wird sich trotz ihrer starken Entscheidung einsam fühlen. So kann eine alte Freundin plötzlich den Kontakt abbrechen, weil sie die Begegnungen der frisch getrennten Freundin zum eigenen Ehemann unterbinden möchte, obwohl sie ihr jahrelang zur Trennung geraten hat und diesen Schritt selbst nicht wagt. Die Freundin wird sich trotz ihrer starken Entscheidung einsam fühlen.
Mitscherlich beschreibt die Folgen der Selbstverwirklichung im worst case so: „Du musst dein Verhalten dem anpassen, was deine ‚Schwestern‘ von dir erwarten, sonst bist du keine wirklich emanzipierte Frau und gehörst nicht zu uns.“ Um allein stehen zu können, aber nicht einsam zu werden, muss ich starke Entscheidungen treffen, darf dabei aber nicht über die Erwartungshaltung meiner Schwestern in der mich unmittelbar umgebenden Gesellschaft hinausgehen?
Wie wäre es, wenn wir akzeptieren, dass das Emanzipieren ein lebenslanger individueller Prozess ist, der immer wieder neu entschieden werden muss? Mit Fort- und Rückschritten. Manchmal machen wir ängstlich ein paar Schritte rückwärts, weil auch Mut kein permanenter Zustand ist und klammern uns an alte Rollenbilder. Wie wäre es, wenn wir trotzdem der anderen Schwester großzügig die Hand reichen, damit sie sich in ihrem Schritt nach vorn und ihrer Stärke nicht ganz so einsam fühlt? Das wäre wunderbar.
(Ines Lutz)
#4 WEISHEIT
EXHIBITION GALLERY
MONA SIMON
Mona Simon, geboren in Siebenbürgen, Rumänien,
kam im Alter von 10 Jahren nach Deutschland.
Sie lebt und arbeitet an verschiedenen Orten der Welt.
2005 Semesteraufenthalt am ISDI Havanna
2006 Bachelor of Arts, HfK Bremen
Mona Simon studierte Mediendesign an der Hochschule für Künste in Bremen und schließt 2006 ihren Bachelor of Arts mit „La Revolution“, einem Fotographie-, Buch- und Filmprojekt ab, das den Best Project Award der Hochschule für Künste Bremen erhält. Das Projekt ist eine persönliche Reflexion über den Zusammenhang von „Happiness“ und Unfreiheit im kubanischen Kommunismus. Um dieses multimediale Projekt zu realisieren, verbringt sie 7 Monate in Kuba und studiert Design und Fotografie an dem Instituto de Diseño Industrial, in La Habana.
2008 Master of Documentary Photography am London College of Communication (UK)
Ende 2008 beendet Mona Simon ihren Master mit einem preisgekrönten Projekt namens „Erinnerungen an einen geliebten Ort“, Siebenbürgen, Rumänien – ein international ausgestelltes Fotoprojekt, das 2009 den Studenten Menschenrechtspreis von Amnesty International gewann, sowie den Canon Profifoto Förderpreis 2009 und den Photographers Giving Back Award Portrait Prize, 2010, USA. Im selben Jahr nimmt sie am Körber Fotopreis, Deutschland teil und stellt ihr Projekt ‘Laute Stille’ in den Deichtorhallen in Hamburg aus.
Seit Abschluss Ihres Studiums an der Hochschule der Künste Bremen, Mitte der 2000er Jahre und dem anschließenden Master in Dokumentarfotographie am London College of Communication hat sie einige Einzel- und Gruppenausstellungen mit ihrer Fotographie durchgeführt.
In ihrer Arbeit erschafft Simon einen Raum der Begegnung mit anderen – und mit uns selbst. Als Betrachtende werden wir aufgefordert, uns durch die Kunst der Beobachtung unserer persönlichen, aber auch unserer kollektiven Geschichte bewusst zu werden.
Die vollständige Werkliste der Künstlerin finden Sie auf: www.monasimon.com
TEXTE
Wir brauchen wirklich keine Ehemänner
Fiona MacGregor
Aus dem Englischen übersetzt und gekürzt von Willi Reinecke
Beim Volk der Mosuo in der chinesischen Provinz Yunnan haben traditionell die Frauen das Sagen. Es gibt keine Ehen und die Sexualpartner führen getrennte Leben, auch wenn sie gemeinsame Kinder haben.
„Es ist besser für Männer und Frauen, getrennt zu leben, weil es dann weniger Konflikte gibt. Wenn du und dein Liebhaber zusammenleben, wird es zu Streitigkeiten kommen.“
Es ist 20 Uhr, und der Vollmond steht hinter den zerklüfteten Gipfeln, die den Lugu-See wie Drachenzähne umschließen. Das weiße Auge eines Motorradscheinwerfers nähert sich und verschwindet dann in der Schwärze.
Auf dem Rückweg vom Markt geht Gongts Dash Duma, oder Qi Du, wie sie genannt wird, neben mir her und schaut den Weg zurück, den der Motorradfahrer genommen hat. „Didi – mein kleiner Bruder“, sagt sie und grinst. „Er ist auf dem Weg zu seinem Aipengyou“.
Es ist ein langsamer, aber stetiger Strom von Fahrern, und die meisten sind auf dem Weg zu ihren Aipengyous – Sexualpartnern, mit denen sie sich normalerweise nur nachts treffen.
Frühere Besucher dieser Bergregion im Südwesten Chinas nannten solche Beziehungen „Wanderehen“. Heute wählen die Männer der Mosuo-Minderheit in der Provinz Yunnan schnellere Methoden, um zu ihrer Geliebten zu gelangen. Aber das Prinzip bleibt dasselbe: Wenn ein Mann und eine Frau eine körperliche Beziehung eingehen, erwartet keiner von ihnen, dass sie ihren Alltag teilen.
Hier, in einem der letzten verbliebenen Matriarchate der Welt, leben Mosuo-Männer und -Frauen normalerweise ihr Leben lang im Haus ihrer Mütter, weil sie glauben, dass ihre leibliche Familie weitaus zuverlässiger ist als Familien, die durch Heirat entstanden sind.
„Wir haben ein Sprichwort, das es erklärt“, sagt Qi Du in dem hölzernen Bauernhaus, in dem sie mit ihrer Großfamilie lebt. Sie rührt gerade ein starkes Gebräu aus fermentiertem Reis und Spiegelei in einem Wok, um die bittere Spätherbstkälte abzuwehren. „Ein Mann und eine Frau sind wie zwei Bäume, die nebeneinander wachsen: Ihre Wurzeln sind getrennt, aber ihre Äste überlappen sich.“
Ein anderes Mosuo-Sprichwort lautet in etwa so: „Wenn du [eine Frau] tot am Straßenrand liegst und dein Geliebter kommt vorbei, wird er weitergehen. Wenn dein kleiner Bruder dich dort sieht, wird er stehen bleiben und weinen.“
Qi Du ist eine gesprächige, lächelnde Frau Anfang 40 mit einer Leidenschaft für Kartenspiele. Sie sieht keinen Grund, mit einem Langzeitpartner zusammenzuleben, um in Liebe, Sex und Kindererziehung glücklich zu werden.
„Wir brauchen wirklich keinen Ehemann, denn in jedem Haushalt gibt es einen Bruder und einen Lama [ein männliches Familienmitglied, das im örtlichen Tempel ausgebildet wurde und als Mönch lebt]“, sagt sie.
Eine Ehe im herkömmlichen westlichen Sinne gab es bei den Mosuo nicht, bis Mitte der 1960er Jahre während Mao Zedongs Kulturrevolution neue Regeln eingeführt wurden, die Paare dazu zwangen, offizielle Ehen zu schließen, genau wie die Han-Mehrheit des Landes.
Heute verändert sich das Leben rund um den See aufgrund des zunehmenden Kontakts mit anderen Kulturen rasch. Setzt jedoch die Regierung ihre Regeln weniger rigoros durch, folgen viele der 50.000 Mosuo den Traditionen ihrer Kultur. „Die Menschen [Liebende] werden nicht wütend aufeinander, weil wir uns nicht scheiden lassen müssen“, erklärt Qi Du. „Die Männer sagen den Frauen nicht, was sie tun sollen, die Frauen tun es einfach“. Wenn die Frauen etwas nicht tun wollen, tun sie es nicht.
Qi Du’s Großmutter, Gonts Bima, ist wie andere Mosuo-Großmütter auch, als Matriarchin des Hauses verantwortlich für alle wichtigen Entscheidungen der Familie. Gonts Bima, deren Gesicht so faltig ist wie die prallen braunen Walnüsse, die um den See herum geerntet werden, sitzt am Feuer und lacht sich über ihre eigenen Witze kaputt. Ihr Sohn ist ein ruhiger Mann Anfang 40 mit einem toleranten Lächeln. Sie deutet an, dass er nicht genug Geld für die Großfamilie nach Hause bringt. Das Land und die Besitztümer gehören alle ihr. „Wenn wir Geld für etwas brauchen oder etwas Wichtiges kaufen wollen, müssen wir Ama fragen“, sagt Qi Du.
Kuma, eine umtriebige Großmutter Anfang 60, lacht nur, wenn sie gefragt wird, ob die Männer wissen, dass die Frauen das Sagen haben. „Sie wissen, dass wir wichtig sind“, sagt sie. „Unsere Kultur ist eine gute Kultur, weil die Frauen in der Liebe freie Entscheidungen treffen. Die Frauen haben einen hohen Status.“
Aber Macht bringt Verantwortung mit sich, und Kuma glaubt, dass das Leben einer Frau viel härter ist als das eines Mannes. „Die Frauen machen alles, es kann sehr schwer sein“, sagt sie mit einem Seufzer.
Die Männer sagen, dass sie nach dem Essen satt sind und nichts mehr tun wollen.
Das moderne Leben bringt auch Veränderungen darin, wie Mosuo-Frauen ihre Macht empfinden. Traditionell haben Männer wenig Verantwortung für die Erziehung ihrer eigenen Kinder. Im Allgemeinen wurde dies nicht als negativ gesehen. „Mosuo-Männer sind viel weniger egoistisch als Han-Männer, weil Han-Männer sich nur um sich selbst kümmern, Mosuo-Männer jedoch um alle“, sagt Kuma.
Männliche Vorbilder sind traditionell die Onkel mütterlicherseits, die im Haus der Familie leben. Die Mutter ist für die meisten körperlichen und materiellen Bedürfnisse des Kindes verantwortlich, und diese Kosten sind die häufigste Klage von Mosuo-Frauen. „Die Männer haben Arbeit, aber oft geben sie sie kein Geld für die Kinder“, erklärt Qi Du.
Jetzt, wo sie der Außenwelt durch Tourismus, Fernsehen, Handel und Schulen geprägt ist, sagen die Frauen hier, dass sie Druck verspüren, Dinge für ihre Kinder zu kaufen. Dies ist einer der Hauptgründe, warum viele Frauen lieber eine längerfristige Beziehung mit dem Vater ihrer Kinder eingehen und ihn ermutigen, sich mehr in die Kindererziehung einzubringen. Ältere Mosuo-Frauen verstehen, warum sich dieser Wandel vollzieht.
Ja Shima, eine bemerkenswert rüstige 86-jährige Frau mit einer ausgeprägten Vorliebe für Baiju (den lokalen Reisschnaps), hatte sechs Ehemänner und sechs Kinder von verschiedenen Vätern. „Drei von ihnen verließen mich, und ich verließ die anderen Drei“, sagt sie über ihre früheren Ehemänner. „Es war ein hartes Leben, weil wir damals nie genug zu essen hatten. Aber wenn ein Mann nicht gut war, habe ich mir einfach einen anderen gesucht.“ Sie glaubt jedoch, dass es heute besser ist für Frauen, bei einem Mann zu bleiben, zumindest solange die Kinder heranwachsen.
Ihre Nachbarin, Li Hua, eine tüchtige, gutaussehende Frau Anfang 30, stimmt ihr zu. Sie ist die einzige Frau im Dorf, die ganztags mit ihrem Mann zusammenlebt. Zusammen mit ihrem Ehemann betreibt sie ein kleines Gästehaus für wenige chinesischen Touristen. „Die Leute
halten mich für seltsam“, sagt sie seufzend. „Aber es ist viel besser, wenn man mit seinem Partner zusammenlebt. Viele der Frauen mit Liebespartnern bekommen kaum Unterstützung für die Kinder.“
Wie aufs Stichwort kommt ihr Mann vom Markt nach Hause und trägt mehrere winzige Paar Socken und andere Kleidung für ihr zehn Monate altes Baby, das auf dem Boden sitzt und mit Stöcken aus dem Feuer spielt.
Die Ein-Kind-Politik der chinesischen Regierung gilt nicht für viele Minderheiten des Landes, die im Allgemeinen in weniger bevölkerten ländlichen Gebieten leben. Mosuo-Frauen dürfen zwei oder drei Kinder bekommen, je nachdem, in welcher Provinz sie leben. Im Gegensatz zu den Han, die im Allgemeinen Jungen mehr schätzen als Mädchen, haben die Mosuo gerne Töchter.
Die meisten Mosuo-Frauen ziehen es immer noch vor, von ihren Liebhabern getrennt zu leben. Eines Morgens, als Qi Du das Frühstück mit Blutwurst und gebratenem Fladenbrot zubereitet, sitzt ein alter Mann neben Gonts Bima am Feuer. Ich frage, wer er ist, und sie kichert wie ein Schulmädchen, macht schnell mit ihren Fingern ein Kreuzzeichen, um zu zeigen, dass er ihr Freund ist.
Die beiden sind schon seit Jahrzehnten zusammen, aber es gilt nicht als höflich, vor Männern über persönliche Beziehungen zu sprechen. Auch jüngere Mosuo-Frauen können sich nur schwer daran gewöhnen, ihr Haus mit einem Ehemann zu teilen. Kuma erzählt mir, dass Mosuo-Frauen, die zur Arbeit in die nächstgelegene Stadt reisen, oft einen Mann von dort heiraten, aber solche Beziehungen enden oft mit einer Scheidung. „Ich war nicht glücklich mit ihm zu leben, wir kamen nicht miteinander aus“, sagt die 19-jährige Xiao-Juan, die einen tibetischen Mann geheiratet und ein Kind bekommen hat.
Ihr Baby verbringt noch immer Zeit mit seinem Vater, aber Xiao-Juan ist in ihr Dorf zurückgekehrt und hat bereits einen neuen Freund. „Ich bin jetzt glücklicher“, sagt sie. Es gibt immer noch ein paar Mosuo-Dörfer ohne Strom, aber in den meisten hat das Fernsehen die lokalen Tänze als Abendunterhaltung abgelöst. Mit ihm kamen auch die allgegenwärtigen Han-chinesischen Seifenopern – unglaubwürdige Dramen, in denen unterwürfige Frauenfiguren das lebenslange Glück mit dem Helden ihrer Wahl suchen. Viele Mosuo-Frauen, die so lange selbstständig waren, sprechen jetzt auch davon, wie schön es wäre, einen Mann zu haben, der sich in schwierigen Zeiten um sie kümmert.
Eines Abends will Qi Du’s Bruder mit der Fernbedienung den Kanal wechseln, aber die Frauen sagen ihm sogleich, er solle sie weglegen, was er resigniert, aber ohne sich zu beschweren, tut. Ich lache und bemerke, dass überall auf der Welt Männer dafür bekannt sind, die Kontrolle über den Fernseher zu übernehmen. Aber in diesem Fall haben die Frauen eindeutig die Oberhand.
„Was für Sendungen siehst du denn gerne?“, frage ich ihn.
„Kung Fu.“
„Und die Frauen?“
„Han-Drama.“
„Und was seht ihr euch normalerweise an?“
„Han-Drama“, sagt er reumütig, bevor er wieder aufhellt. „Aber nach dem Han-Drama schaue ich Kung Fu.“
Vielleicht haben die Mosuo recht, und Geschwister leben harmonischer als Liebende. Von Frauen geführte Gesellschaften sind vom Wunsch nach Kompromissen geprägt, und wenn das Leben der Mosuo auf die Moderne trifft, wird der Kompromiss zwischen dem alten Lebensstil der „Wanderehe“ und der zunehmenden Einbindung der Väter den Familien zugutekommen.
I am trying to love myself in a world where I am not enough
But in the next breath I am told I’m actually just too much
A world where it seems insincere when I’m positive and sunny
A world where if I’m being quiet, I’m asked why aren’t you being funny
A world where I had my first kiss at 12 which I stopped when he touched my boob
A world where 12-year-old me apologised to him for ruining the mood
A world where I’m called a bitch when I’m humorous and witty
A world where I am often told if I lost some weight, I’d actually be quite pretty
A world where it seems a safe space is impossible to find
A world where you can trust no one, not even your own mind
A world where self-worth and confidence seem like something to fear
A world where I make resolutions and break them at the start of the new year
A world where I feel exhausted and run down and always on the go
A world where I constantly say sorry and feel bad for saying no
So I have decided to just be who I am, exist and try my best
And give my weary mind, body and my bruised heart some very much needed rest.
Über Stärke und Einsamkeit
Angelina Jolie: Die einsamste Frau Hollywoods. So oder so ähnlich titelte kürzlich das OK! Magazin. Die müssen es wissen, schließlich arbeitet man dort journalistisch streng nach der Keine-Quellen-Regel. Trotzdem berührt mich die Schlagzeile. Kann es sein, dass diese wunderschöne starke Frau einsam ist? Ich vermute schon.
Lassen Sie uns kurz rekapitulieren, was die Yellow Press in den letzten Jahren über Jolie’s Leben berichtet hat – vielleicht ist es tatsächlich passiert. Nach einer wilden Jugend und zwei Ehen zwischen Alkohol- und Drogenexzessen, spannt Jolie einer anderen Frau den Ehemann aus. Bei diesem Mann handelt es sich um einen der beliebtesten Schauspieler Hollywoods: Brad Pitt. Es folgen Jahre der Läuterung. Die beiden spenden viel Geld für Unterprivilegierte, adoptieren Kinder aus aller Welt. Jolie arbeitet sehr engagiert als UN-Sonderbotschafterin. Dann trifft sie zwei schwierige Entscheidungen. Zunächst lässt sie sich ihre Brüste, ihre Eierstöcke und Eileiter entfernen, um ihr Krebsrisiko zu minimieren. Über diese Entscheidung spricht sie öffentlich. Was ist dieser Prototyp an weiblicher Sexyness nun für eine Frau? Wie nimmt man sie wahr?
Ein paar Jahre später trennt sie sich von ihrem Ehemann, weil dieser mindestens Alkoholprobleme hatte. Sie beschädigt das Bild der perfekten Familie. Brad Pitt bleibt der beliebte Star, endlich ist der Mann wieder zu haben. Jolie ist einfach zu viel mit ihrem Perfektionismus, wer kann das schon aushalten? Natürlich ist Angelina Jolie die einsamste Frau Hollywoods – und zu dünn.
Diese Geschichte ist beispielhaft dafür, dass es einen Zusammenhang zwischen Stärke und Einsamkeit gibt. Zumindest bei uns Frauen. Starke Männer sind anziehend und umworben. Frauen sind beliebter, wenn sie ihre Schwächen zeigen, wenn wir Frauen
uns mit ihnen identifizieren können in ihrer Unperfektheit. Jolie hat einige starke Entscheidungen getroffen. Hätte sie sich nicht einfach mit ihrem Leben zufriedengeben können? Sie hatte doch alles, was Frau sich nur wünschen könnte.
Eine starke Frau ist für mich eine, die für sich etwas entscheidet und danach handelt, weil ihr moralischer Kompass es nicht anders zulässt. Eine Frau, die darum kämpft ihr Rückgrat zu behalten, selbst wenn es andere, leichtere Wege gäbe. Eine starke Frau ist eine sich emanzipierende Frau. Emanzipation ist kein Zustand, es ist ein lebenslanger Prozess, der immer wieder neu entschieden werden muss. Das lateinische Wort emancipatio bedeutet: die Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt oder Freilassung eines Sklaven. Das sind für den Betroffenen passive Akte, ihnen wird Freiheit geschenkt. Die weibliche Emanzipation besteht aus aktiven Entscheidungen, die wir treffen und mit deren Folgen wir leben müssen. Ich schreibe das in großer Demut vor all den Frauen, die gerade an riskanteren Orten der Welt für ihre Rechte kämpfen und dabei ihr Leben und das ihrer Liebsten gefährden.
Und dennoch. Manchmal sind auch kleine Entscheidungen schwierig, die nötig sind, damit wir uns weiterhin aufrecht im Spiegel anschauen können. Trennungen von Menschen, die uns nicht gut tun – auch wenn eine klassische Familie problemloser für die Kinder wäre. Für Schwächere einzustehen – auch wenn es beruflich negative Folgen für uns selbst hat. Tagtäglich unser Rückgrat zu behalten, uns nicht von Schlechtem korrumpieren zu lassen. Emanzipation bedeutet eigenständig zu werden. Heißt das nicht auch, allein stehen zu können?
Allein zu stehen, heißt aber nicht unbedingt einsam zu stehen. Warum fühlt es sich trotzdem so an? Eine für mich befriedigende Antwort darauf liefert die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich in ihrem Buch „Die Radikalität des Alters“. Sie findet es verständlich, dass viele Frauen Angst davor haben, sich zu emanzipieren. Die Frauen würden sich von familiär und gesellschaftlich geforderten Verhaltensweisen lösen, die von vielen nach wie vor als weiblich gesehen werden. „Männliche (und weibliche) Erwartungen dieser Art zu enttäuschen geht mit Sympathie- und Liebesverlust einher und kann Frauen zu Außenseitern der sie jeweils umgebenden Gesellschaft machen.“ Es geht also nicht um die konkrete Entscheidung selbst, sondern immer auch um unser unmittelbares Umfeld. Jeder hat sein Eigeninteresse an den Entscheidungen anderer: Eltern, PartnerInnen, Freunde. So kann eine Mutter, die in ihrer Jugend selbst für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekämpft hat, heute mit ihrer Tochter in Konflikt geraten, weil sie die selbstgewählte Kinderlosigkeit der Tochter nicht akzeptieren möchte und sich Enkelkinder wünscht. Die Tochter wird sich trotz ihrer starken Entscheidung einsam fühlen. So kann eine alte Freundin plötzlich den Kontakt abbrechen, weil sie die Begegnungen der frisch getrennten Freundin zum eigenen Ehemann unterbinden möchte, obwohl sie ihr jahrelang zur Trennung geraten hat und diesen Schritt selbst nicht wagt. Die Freundin wird sich trotz ihrer starken Entscheidung einsam fühlen.
Mitscherlich beschreibt die Folgen der Selbstverwirklichung im worst case so: „Du musst dein Verhalten dem anpassen, was deine ‚Schwestern‘ von dir erwarten, sonst bist du keine wirklich emanzipierte Frau und gehörst nicht zu uns.“ Um allein stehen zu können, aber nicht einsam zu werden, muss ich starke Entscheidungen treffen, darf dabei aber nicht über die Erwartungshaltung meiner Schwestern in der mich unmittelbar umgebenden Gesellschaft hinausgehen?
Wie wäre es, wenn wir akzeptieren, dass das Emanzipieren ein lebenslanger individueller Prozess ist, der immer wieder neu entschieden werden muss? Mit Fort- und Rückschritten. Manchmal machen wir ängstlich ein paar Schritte rückwärts, weil auch Mut kein permanenter Zustand ist und klammern uns an alte Rollenbilder. Wie wäre es, wenn wir trotzdem der anderen Schwester großzügig die Hand reichen, damit sie sich in ihrem Schritt nach vorn und ihrer Stärke nicht ganz so einsam fühlt? Das wäre wunderbar.
(Ines Lutz)
Dounji Muon,
geb 1938
Kambodscha, 2014
Es ist noch dunkel, als Dounji Muon aufwacht. Wie die anderen Nonnen beginnt sie ihren Tag um 4 Uhr morgens mit Meditation und Gebeten, dann hilft sie beim Putzen und Zubereiten der Mahlzeiten. Dounji Muon verbringt jedoch den größten Teil ihres Tages damit, sich um den Garten zu kümmern. Hier habe sie Ruhe und Frieden gefunden, auch indem sie den Mönchen ihr Gemüse und Obst schenke, sagt sie.
Nachdem ihr Mann getötet und ihre 1000 Orangenbäume zerstört worden waren, wurde Srey Moan zusammen mit ihrer damals kleinen Tochter und ihrer Mutter von den Kmehr Rouge gefangen genommen und als Arbeiterinnen mehrere Jahre lang im Dschungel festgehalten. 1982, nach dem Tod ihrer Mutter, kamen sie und ihre Tochter, damals Anfang 20, nach Battambang und fanden in diesem Kloster ein friedliches Leben, wo sie die Qualen hinter sich ließen, die sie in ihrem turbulenten Leben ertragen mussten. Mutter und Tochter teilen sich seither eine kleine Hütte, und verbringen ihr Leben gemeinsam mit den anderen Nonnen im täglichen Rhythmus der Pagoda.
Ich verstehe, dass die Mönche an die Größe Buddhas erinnern. Ihnen zu dienen, ist in gewisser Weise wie Buddha zu dienen, sagt Dounji Muon.
Dharma
Kosorl, geb 1996
Kambodscha, 2014
Kosorl deren Name in Pali „Tugend“ bedeutet, wusste schon als Kind, dass sie Nonne werden wollte. Nach der Trennung der Eltern entscheidet sich die Mutter für das Leben in der Pagode, den kleinen Sohn nimmt sie mit, die Tochter aber bleibt bei der Großmutter und darf erst mit 13 ihrer Familie ins Kloster folgen. Kosorl erinnert sich noch gut an die erste Begegnung mit kleinen Mönchen, die den Wunsch in ihr erwecken, ebenfalls ein Kind-Mönch zu sein. Dieser Wunsch wird ihr jedoch versagt, weil sie ein Mädchen ist. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Erfahrung hielt sie an ihrem Wunsch, selbst Nonne zu werden, fest, jedoch nicht wie die Mutter, die nach der Trennung vom Vater entschied, ihr Leben dem Klosterleben und den Mönchen zu widmen.
Eine Nonne in Kambodscha zu sein, ist nicht einfach”, sagt Kosorl. Im Gegensatz zu den Mönchen werden die Nonnen hier gesellschaftlich kaum geschätzt, obwohl sie ihnen ihre Zeit und Hingabe widmen. Kosorl will, wie auch die Mönche, ihren eigenen Weg der Erkenntnis gehen, nicht den Weg der Dienerin.
Als erste kambodschanische Nonne geht sie nach Sri Lanka und studiert Pali und Buddhismus an der Universität in Colombo. Sie beschliesst auch die Farbe ihres Gewandes zu ändern, vom kambodschanischen Weiß zum
sri-lankischen Saphir-rot. Hier erlebt sie eine neue Form von Gleichheit. Inzwischen ist sie zurück in Kambodscha, wo sie unterrichtet und das Leben der Kambodschanischen Nonnen auch durch ihrer Masterarbeit betrachtet.
Mae,
Nat Nari, geb. 1953
Kambodscha, 2014
Nonnen Oberin Nat Nari, die Mae genannt wird (in Khmer Mutter), ist die Leiterin der Nonnen in der Andeuk-Pagode in Battambang, Kambodscha.
Nachdem ihre Familie im Krieg gestorben war, fand sie hier als Nonne Zuflucht. Dies war eine Entscheidung für den Rest ihres Lebens, die die damals 27-Jährige traf, obwohl die Mönche, denen sie diente, nicht sehr glücklich darüber waren, eine junge Frau in der Pagode zu haben, weil sie befürchteten, ihr könnte dabei Schaden zugefügt werden vor allem durch die vietnamesischen Soldaten, die das Gebiet zu dieser Zeit besetzt hielten. Die Mönche stimmten schließlich zu, das wenige Essen und ihre Unterkunft zu teilen, während Nat Nari für sie sorgen würde, zusammen mit fünf älteren Frauen, die zu dieser Zeit in der Pagode lebten.
Inzwischen beherbergt die Schildkröten-Pagoda neben den 50 Mönchen auch 40 Nonnen, die neben ihren täglichen Aufgaben auch ihrer spirituellen Entwicklung Zeit widmen dürfen. Das haben sie Mae zu verdanken, die diese Pagode dahingeführt hat, als eine von sehr wenigen in Kambodscha, den Nonnen Raum für Meditation und Dharma Unterricht zu bieten.
Mae, die nie Ehefrau und Mutter sein wollte, stellt sich solch ein Leben viel zu erschöpfend vor, weil es ausschliesslich dem Wohl der Familie gewidmet sei und keinen Raum für Selbstentfaltung bietet. Kein “Wunder, dass Frauen nie Buddhas geworden sind, sagt sie, Frauen haben einfach viel zu viel zu tun und keine Zeit für sich selbst”.
PRESS
WDR2 FERNSEHBEITRAG
LOKALZEIT KÖLN
STARKE UND STOLZE
FRAUEN AUS ALLER WELT
KÖLNER STADTANZEIGER
COURAGE
EXHIBITION FLYER
IMPRESSUM
COURAGE
BEGEGNUNGEN MIT DEM
WEIBLICHEN SELBSTBEWUSSTSEIN
FOTOARBEITEN VON
MONA SIMON
2. September – 1. Oktober 2023
Wir danken Mona Simon und allen oben genannten Akteur*innen, die durch ihr Engagement das Entstehen der Ausstellung, des Programmheftes und der Website ermöglicht haben. Ein herzlicher Dank geht auch an das Kulturamt der Stadt Köln und an das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für die großzügige Förderung.
©2023 CO³
cologne | contemporary | concept
Herausgeber
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Thürmchenswall 66, 50668 Köln
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Kuration
Leila Cheraghi
Beratung
Nina Lindlahr
Grafik des Programmhefts
Jan van der Most
Texte
Leonie Pfennig, Fiona MacGregor, Blaise, Ines Lutz
Lektorat
Willi Reinecke
Website
studiokoly.com
Fotograf – Dokumentation
T Hollweck
Video
Nazgol Emami